Biotin steht hoch im Kurs bei manchen Multiple-Sklerose-Patienten. Studien zu hochdosiertem Vitamin B7 laufen noch, doch der Stoff ist in geringeren Dosierungen frei verkäuflich. Weil er wichtige Laborwerte verändern kann, haben die Herstellerfirmen nun einen Rote-Hand-Brief zu Biotin herausgegeben.
Biotin wird eingenommen bei
- festgestelltem Biotinmangel,
- im Rahmen einer parenteralen Ernährung,
- angeborenen Defekten im Biotinstoffwechsel,
- im Rahmen von Studien zur Behandlung einer progressiven Multiplen Sklerose
- und, in der Regel ohne ärztliche Empfehlung, als Nahrungsergänzungsmittel (als "Schöne-Haut"-Vitamin für Haut, Haare und Nägel).
Schwere Nebenwirkungen sind bisher unter Biotin nicht bekannt geworden, auch nicht in den Studien mit hochdosiertem Biotin bei den schleichenden Verläufen der MS – hier wird das Nahrungsergänzungsmittel in einer ca. 10.000-fachen Dosierung der täglichen Einnahmeepfehlung zum Arzneimittel. Eine wichtige, wenngleich leichte Nebenwirkung mit dennoch unter Umständen sehr schweren Folgen führte nun zu einem Rote-Hand-Brief: Biotin kann wichtige Blutwerte signifikant verfälschen und dadurch zu gefährlich falschen Schlüssen führen.
Falsche und versäumte Diagnosen durch Biotin-Einnahme
So konnte zum Beispiel bei einem Patienten (unter Hochdosis-Biotin) der erhöhte Troponinwert nicht erkannt werden und die für ihn wichtige Diagnose Herzinfarkt blieb zunächst aus. Biotin-bedingt führten verfälschte Laborwerte bei Neugeborenen, Kindern und Erwachsenen zur Falsch-Diagnose Morbus Basedow.
Die gute Nachricht: Wenn das Labor von der Biotineinnahme weiß, kann es das Testprinzip anpassen. Bei Verdacht auf mögliche Biotin-Interferenzen, können eine sogenannte nicht-biotinylierte Asseys angwewendet werden. Als Patient kann man seinen Arzt vor der Bestimmung von Laborwerten darauf hinweisen, dass man Biotin einen. Der Rote-Hand-Brief richtet sich an Angehörige der Heilberufe. Diese sollten vor der Laborwertbestimmung beim Patienten erfragen, ob dieser Biotin einnimmt. Doppelt hält besser: Darum kann man im eigenen Interesse auch als Patient auf die Einnahme hinweisen.
Die falschen Laborwerte sind dosisabhängig - ob auch tägliche Dosen von >/= 60 bis </= 150 Mikrogramm dazuzählen, konnte bisher nicht abschließend geklärt werden. Der Rote-Hand-Brief gilt für Tagesdoesen ab 60 Mikrogramm. Biotin wird über den Urin ausgeschieden. Darum ist bei Patienten mit Niereninsuffizienz mit höheren Konzentrationen im Blut und längeren Halbwertzeiten und daher auch mit erhöhtem Rsisko für verfälschte Laborwerte auszugehen.
Der Zulassungsantrag für hochdosiertes Biotin bei primär progredienter (PPMS) und sekundär progredienter MS (SPMS) läuft noch.
Quellen: Rote-Hand-Brief (Pdf) zu Biotin (Pdf), Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, 15.05.2019.
Redaktion: AMSEL e.V., 17.05.2019